1. Tag, 22. Juli 2015
Ich kleide sie in voller HSH-Ausrüstung ein. Sie erträgt es wider Erwarten stoisch. Die Ausbinder sind zunächst auf volle Länge geschnallt. Auf dem Reitplatz draußen longiere ich sie erst einmal ein paar Runden, damit sie sich an die Leinen, die Ausbinder und den neuen Sattel gewöhnt. Sie bleibt gelassen, also lasse ich die Leinen langsam nach hinten gleiten und gehe auf größtmöglichen Abstand hinter sie. Ein leichtes Schnalzen setzt sie tatsächlich in Gang. Ich lenke sie auf den Hufschlag. Sie geht zögerlich, weiß mit dem Reiter hinter ihr nicht recht etwas anzufangen, aber sie geht. Allerdings habe ich Mühe sie auf dem Hufschlag zu halten, weil sie sehr schwankt, immer wieder zur Mitte der Bahn driften will. Nach einer Runde rufe ich "Haaaalt". Ich muss mich sehr in die Leinen hängen, bis sie stehen bleibt – und den Kopf ganz bis zur Erde streckt. Egal. Sie hat angehalten. Das wiederhole ich jeweils in der Mitte der langen Seiten. Mit immer dem gleichen Aufwand. Trotzdem lobe ich ausgiebig und beende die Lektion mit einer Longierrunde im Trab zum Lockern nach knapp 30 Minuten.
2. Tag
Divina geht deutlich sicherer auf dem Hufschlag. Und auch das Anhalten klappt mit viel weniger Leineneinsatz. Ihr Kopf bleibt dabei auch oben. Heute nehme ich das Ausrichten der Hinterbeine unter den Schwerpunkt hinzu und tippe dazu das nach hinten stehende Bein an, um es zum Vortreten aufzufordern. Das klappt erstaunlich gut. Allerdings muss ich ganz schön antippen, bis sie reagiert. Sie ist sehr verwundert, wenn ich dann zu ihrer Hinterhand gehe und sie großflächig umarme, streichle und lobe. Zum Handwechsel baue ich heute ein aus der Ecke kehrt mit ein. Bald werde ich sie dabei zu Seitentritten auffordern. Heute noch nicht. Das Stimmkommando dafür: "Keeeeehrt". Divina macht willig mit. Nach mehreren Handwechseln und mehrmaligem Anhalten höre ich nach 30 Minuten auf. Sie hat sich Mühe gegeben und braucht nun Zeit, das Ganze zu verarbeiten.
3. Tag
Ausrüstung wie gestern. Divina ist heute wenig motiviert. Es ist zwar keine pralle Sonne, aber dennnoch sehr schwül und viele Insekten. Auch das Programm gestalte ich wie gestern. Divina macht leidlich mit. Das Anhalten fällt ihr heute schwerer, und sie kann nicht lange ruhig stehen bleiben. Dann wird sie ungeduldig, scharrt mit einem Vorderfuß, bohrt mit dem Kopf nach unten. Mich lässt das unberührt. Ich lasse sie warten, bis sie sich beruhigt hat, dann darf sie weiter. Für das Geradestellen der Hinterbeine muss ich die Beine ganz schön intensiv anticken. Ich probiere einige wenige Tritte seitwärts nach dem "aus der Ecke kehrt". Das irritiert sie, aber sie versucht nicht, sich ganz umzudrehen. Weil sie heute weniger gut mitmacht, höre ich früher auf. Dafür darf sie noch ein paar Runden auf dem Zirkel galoppieren. Das scheint sie heute zu brauchen, denn sie nimmt dabei ganz ordentlich Fahrt auf.
4. Tag
Ausrüstung wie gestern. Divina hat heute viel mehr Lust. Das Losgehen und Anhalten klappt heute schon viel sicherer. Ich komme viel zum Loben. Ich passe auf, dass ich sie nach dem Halten nicht zu lange stehen lasse, um Unruhe zu vermeiden. Das werde ich erst ganz allmählich steigern. Heute hat mich Sabrina gefilmt, und ich konnte mich und das Pferd endlich mal von außen beobachten. Mir fällt auf, dass Divina noch gar nicht recht begreift, was ich da mache. Sie ist immer noch skeptisch, wenn ich von hinten an sie herantrete, um sie ausgiebig zu loben. Deshalb lobe ich oft zusätzlich am Hals. Das ist ihr vertraut.
Weil es heute recht gut klappt, nehme ich die Seitengänge mit in das Programm auf. Ich schicke sie auf beiden Händen auf der langen Seite einmal mit den Leinen ins Seitwärts. Das ist noch sehr unsicher und nicht im Fluss. Das macht nichts. Die nächsten Male werden das rasch verbessern. Generell müssen die Ausbinder wesentlich kürzer. Aber da werde ich mich auch langsam herantasten. Ich will sie nicht noch mehr verunsichern. Heute gibt es ein Video von Divina: Einen Zusammenschnitt der letzten knapp zwei Monate:
Nach Wahnsinns-Regenfällen musste ich mit Divina heute das erste Mal in die Halle. Natürlich kennt sie Hallen, denn auf dem Gestüt wurde sie mir ja in der Halle vorgeritten. Trotzdem war es für sie eine total aufregende Sache. Ich bin mit ihr in HSH-Ausrüstung rein, habe aber nicht erwartet, wirklich HSH machen zu können. Das war dann auch so. Divina hat 20 Minuten lang geschnorchelt und sich alles ganz genau angesehen. Ich habe sie im Schritt mehr oder weniger gut außen herum gehen lassen. Sie kennt keinen Hallenspiegel, musste im vorbeigehen immer wieder hineinsehen. Auch das große Hallenfenster ist ihr total unheimlich. Und dann schien auch noch die Sonne und warf durch das Fenster große Sonnenflecken auf den Boden. Natürlich war auch die Bank in der Ecke, von der aus wir immer aufsteigen, ganz gruselig. Nach gut 50 Minuten herumlaufen und traben und gallopieren lassen, habe ich sie wieder zurück gebracht. Gerne hätte ich sie frei laufen lassen. Das habe ich mich aber nicht getraut aus Sorge, sie könnte in den Spiegel springen. Mal sehen, wie es morgen ist, da wird der Reitplatz noch nicht abgetrocknet sein.
6. Tag
Ausrüstung wie gestern. Wider Erwarten war der Platz heute wieder ideal zum Arbeiten, deshalb bin ich mit Divina wieder nach draußen gegangen. Heute habe ich angefangen, die Ausbinder ein wenig zu verkürzen, um zwei Loch. Sie sind immer noch sehr lang, zu lang, aber ich muss bei ihr langsam vorangehen, um nicht zu viel Stress zu erzeugen. Und schon diese zwei Loch haben sie gestört. Natürlich hat sich meine Lektionsvielfalt auch noch nicht verändert. Ich über mit ihr das Anhalten an den fixen Punkten der langen Seiten (mit Geradestehen), das aus der Ecke kehrt und das Seitwärts. Seitwärts nach rechts klappt schon beinah wie von selbst. Nach links tut sich Divina sehr schwer. Ist logisch, weil sie dabei zur linken Schulter laufen muss. Beim Reiten kippt sie sehr auf diese Schulter, es fällt mir schwer, die beim Reiten zu entlasten.
Trotzdem konnte ich das Seitwärts nach links verbessern, und zwar immer dann, wenn die Außenleine nicht beständig dran ist, sondern eher impulsartig auf die Außenseite des Hinterns schlägt. Wobei schlagen zuviel gesagt wäre. Ich werde mich hüten, die Leine mit großem Schmackes dranzuschlackern. Das muss noch warten.
Heute habe ich zum ersten Mal versucht, den Schritt raumgreifender und größer zu machen. Das macht Divina gut mit, lässt sich dann aber wieder weniger gut anhalten. Der Versuch, im Aus-der-Ecke-Kehrt ein angedachtes Übertreten zu erzeugen, klappt auch noch nicht. Es gibt nicht den Ansatz einer Wendung auf der Hinterhand oder einer großen Schrittpirouette.
7. Tag
Ein paar Tage habe ich kein HSH gemacht, sondern auf Grund von großen Regenfällen Divina an die Halle gewöhnt. Sie hat sich mächtig über den Spiegel und das große Außenfenster aufgeregt. Es wurde schon nach zwei Tagen deutlich besser. Die Folgetage habe ich darauf verwandt, Divina mit Kappzaum an der Longe – ohne Ausbinder – in Dehnungshaltung zu bringen und an der Hand die Seitengänge zu üben. Divina macht dabei mit, und ich kann sehen, dass sie inzwischen in beinah völliger Entspannung mitarbeitet. Ein großer Fortschritt. Dann kam nach 14 Tagen das erste Mal wieder ein Training in voller HSH-Montur.
Ich war erleichtert, dass sie nichts vergessen hat. Das Anhalten war anfangs wieder etwas mühsam, wurde aber zusehends besser. Sie muss beim Anhalten ihre Füße gerade stellen. Klappt nur mit Mühe. Inzwischen gibt es vier Haltepunkte auf dem Hufschlag, jeweils in der Mitte der Bahnseiten. Auch das Seitwärts übe ich weiter. Es wird zögerlich besser. Zum Abschluss habe ich die Ausbinder kürzer geschnallt (8. Loch) und sie einige Runden auf dem Zirkel in allen Gangarten laufen lassen. Sie findet die kürzeren Ausbindern doof.
8. Tag
Heute war Divina extrem rossig, was die Arbeit in HSH nicht eben vereinfachte. Immer, wenn ich sie an der Hinterhand gelobt habe, hob sie den Schweif ein wenig. Sie war auch wieder zickiger mit der Gerte. Ich habe einen größeren Sicherheitsabstand gehalten, weil gelegentlich das Hinterbein nach hinten ausschwang…
Ihr Unmut rührte vielleicht auch daher, dass ich sie von Anfang an mit kürzeren Ausbindern gearbeitet habe. Bin jetzt immer noch im 8. Loch, möchte noch weiter verkürzen. Das kommt nach einiger Zeit. Nach mehreren Anhaltversuchen klappte es fast ganz ohne Leinen. Divina lernt! Begeistert war ich von den Seitengängen. Sie sind noch nicht flüssig, aber Divina erkennt schon meine Körperposition (ein wenig nach innen seitlich versetzt), um mit dem Seitwärts zu beginnen.
Die Trainingseinheit habe ich mit einigen Zirkelrunden mit noch kürzeren Ausbindern (Loch 10) beendet.
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